03.07.2025

Wenn Hoffnung und Vertrauen wachsen

Verein Internationale Kulturelle Jugend-Arbeit unterstützt geflüchtete junge Menschen / ehrenamtliche Paten gesucht

Im Gespräch (v.l.): Klosterkammer-Präsidentin Dr. Thela Wernstedt; Nelly Hagen, Geschäftsführerin IKJA; Mohammed Nazir Amiri und seine Patin Tatjana von Brevern, Farhad Qudrati Sozialarbeiter und Dolmetscher IKJA. Foto: Lina Hatscher, Klosterkammer

Vor zehn Jahren hat Nelly Hagen die Paten-Initiative als Projekt des Vereins IKJA in Hannover gegründet. Das Ziel ist, geflüchteten Kindern und Jugendlichen neben praktischer Hilfe bei der Integration Vertrauen in ihre Zukunft zu schenken.

Die Klosterkammer Hannover hat die Paten-Initiative des Vereins seit 2015 mehrfach mit insgesamt 236.000 Euro gefördert. „Die wiederholte Förderung in unterschiedlichen Jahren ist eine Ausnahme, weil der Bedarf an Unterstützung für die geflüchteten Kinder und Jugendlichen seit zehn Jahren hoch ist“, sagte die Klosterkammer-Präsidentin Dr. Thela Wernstedt. Sie wollte die Arbeit des Vereins kennenlernen und ließ sich während eines Treffens am 18. Juni 2025 schildern, was die Zahlen und Fakten zu dem auch mit dem Niedersächsischen Integrationspreis 2025 ausgezeichneten Projekt nicht vermitteln.

Dr. Thela Wernstedt betonte: „Der Klosterkammer sind Projekte wie die Paten-Initiative wichtig, weil sie erfolgreich junge Menschen mit schwierigen Startvoraussetzungen begleiten. Diese finden mit Unterstützung ihren eigenen Weg für ihr Leben in Deutschland, erlernen Berufe oder nehmen ein Studium auf und können für sich und andere sorgen. Das meint Integration, von der so viel gesprochen und die so oft angemahnt wird.“

Neben Mohammed Nazir Amiri (2.v.l.) und seiner Patin Tatjana von Brevern berichteten auch Saliou Traore und sein Pate Tammo Azam von ihren Erfahrungen. Foto: Lina Hatscher, Klosterkammer 

Und so entstehen Geschichten, die von Hoffnung und Vertrauen erzählen, wenn sich Menschen aus unterschiedlichen Kulturen unvoreingenommen begegnen: Der 27-jährige Mo, der eigentlich Mohammed Nazir Amiri heißt, ist 2016 aus Afghanistan nach Deutschland geflüchtet. Er kam als Minderjähriger ohne Familie, mit wenig Schulbildung und ohne Deutschkenntnisse in Hannover an. Er hat Deutsch gelernt, seinen Schulabschluss gemacht und eine Lehre als Koch abgeschlossen. „Es war wirklich schwierig, aber heute wohne ich in einer Wohngemeinschaft und finanziere mein Leben selbst“, berichtete Mohammed, während er neben Tatjana von Brevern sitzt. Die Sozialpädagogin ist seine Patin und hat den jungen Mann gemeinsam mit ihrer Familie auf seinem Weg unterstützt. „Mo ist bei jedem Familienfest dabei, meine Eltern haben einen dritten Enkel – er ist zu einem Teil unserer Familie geworden“, schilderte Tatjana von Brevern.  

Mohammed Nazir Amiri hat seine Patin kennengelernt, weil Tatjana von Brevern einen Artikel über die Paten-Initiative des IKJA gelesen hatte und sich daraufhin dort gemeldet hat, schilderte Nelly Hagen, Geschäftsführerin des IKJA. „Unsere grundsätzliche Idee beim Start in 2015 war, dass die Jugendlichen, die hier alleine ankommen und oft Schlimmes auf der Flucht erlebt haben, Halt brauchen.“ Sie hat sich vor rund zehn Jahren mit einigen ehrenamtlichen Helferinnen und Helfern auf den Weg gemacht – mittlerweile besteht das Team des Vereins aus neun Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sowie rund 150 Ehrenamtlichen. Seit vielen Jahren ist Farhad Qudrati im Bereich Jugend- und Familien-Sozialarbeit tätig. Als Dolmetscher für unter anderem mehrere afghanische Sprachen baut er Brücken zwischen den Kulturen. „Wir machen diese Arbeit von Herzen, die jungen Menschen brauchen Unterstützung“, sagte Farhad Qudrati. Und so ist das Angebot gewachsen und setzt dort an, wo die Jugendhilfe der Kommune aufhört. Dazu gehören beispielsweise Deutschkurse, die Vermittlung von Patenschaften und Unterkünften, Beratung beim Asylverfahren sowie Unterstützung bei Bildungsabschlüssen und dem Berufseinstieg.

Der Verein betreut Kinder, Jugendliche und Erwachsene aus 23 Ländern, sie stammen hauptsächlich aus Afghanistan, Syrien und afrikanischen Ländern, aber auch aus der Ukraine. In den vergangenen Jahren waren es inklusive der Familienarbeit jeweils zwischen 300 und 450 Personen jährlich. Die Zahl der unbegleiteten minderjährigen Geflüchteten, die in Deutschland ankommen, war zwar nach 2015 stark gefallen, hat sich jedoch von 2021 bis 2024 wieder deutlich erhöht.     

Saliou Traore (r.) mit seiner Patenfamilie. Foto: IKJA e.V.

In den vergangenen Jahren ist der 19-jährige Saliou Traore aus dem westafrikanischen Guinea nach Hannover geflüchtet. Seit rund eineinhalb Jahren ist der Arzt und Musiker Tammo Azam sein Pate. „Ich habe Saliou kennengelernt, weil er bei mir im Chor mitgesungen hat“, schilderte Tammo Azam, der den Kinder- und Jugendchor Quilisma in Springe leitet. Ihn beeindruckte es, wie der junge Mann mit wenigen Deutschkenntnissen innerhalb weniger Monate „Die Schöpfung“ von Joseph Haydn mitsingen und in Kirchen aufführen konnte. Sie freundeten sich an. „Zunächst dachte ich, dass ich keine Patenschaft übernehmen kann, weil mir die Zeit fehlt. Ich war damals noch Arzt im Praktikum, mein Sohn war gerade ein Jahr alt“, erzählte Tammo Azam. Doch zwischen Saliou und ihm stimmte einfach die Chemie und Nelly Hagen habe ihn damit überzeugt, dass von den Patenfamilien keine „Rundum-Betreuung“ erwartet werde, sondern vor allem ein verlässlicher Kontakt und ein stabiles soziales Umfeld. „Vertrauen war ein ganz großes Thema zwischen uns. Es war schwierig dies aufrechtzuerhalten, als ich im vergangenen Jahr beispielsweise zwei Monate beruflich in Bozen tätig war. Aber wir haben uns viel unterhalten und es ist ein gutes Verhältnis entstanden, das auf Gegenseitigkeit beruht“, sagte Tammo Azam. Saliou Traore erzählte, dass er erst einmal niemandem vertrauen konnte als er in Hannover angekommen war und meistens allein war. Er lernte in den Kursen des Vereins Deutsch, hat soeben den Hauptschulabschluss bestanden und bereitet sich auf eine Ausbildung als Heizungsbauer vor. Er singt nicht mehr im Chor, mittlerweile ist das Fußballtraining wichtiger, aber er verbringt Zeit mit der jungen Familie von Tammo Azam. Der 19-Jährige ist stolz darauf, dass ihm das Ehepaar Azam vertraut und er regelmäßig auf den zweieinhalbjährigen Sohn aufpassen darf, und fügte lächelnd hinzu: „Ich kann gut mit Kindern umgehen. Wir haben viel Spaß zusammen.“  

„Wir sind auf der Suche nach Menschen in und um Hannover, die Patenschaften übernehmen möchten“, schilderte Nelly Hagen. Sie betonte, dass der Verein die Jugendlichen und Paten unterstützt und begleitet, und sich bei Bedarf sämtlicher Angelegenheiten annehme. Die Patenschaften sollten vor allem dem Austausch, dem Voneinander-Lernen und Aktivitäten, die beiden Seiten Freude machen, dienen. Und sie fügte hinzu: „Die Patenschaften schenken den stark belasteten jungen Menschen neues Vertrauen in andere Menschen, in sich selbst und ihre Zukunft. Das macht den alles entscheidenden Unterschied, dass die Jugendlichen neuen Mut schöpfen können und leistet einen wichtigen Beitrag zur Vermehrung von Hoffnung.“ (lah)

Sie haben Interesse an einer Patenschaft? Dann informieren Sie sich auf der Internetseite des Vereins IKJA und melden sich bei Nelly Hagen per E-Mail an n.h@ikja.eu oder telefonisch unter 0152 24392890.

Nelly Hagen und Farhad Qudrati (unten Mitte, v.r.) mit der internationalen Gemeinschaft junger Menschen, die sich über den Verein IKJA zusammengefunden hat. Foto: Massih Khoshbeen