04.12.2025
Marktgerecht, transparent und rechtssicher
Klosterkammer Hannover ist Vorreiter bei einer fairen Vertragserneuerung des Erbbaurechtes
Eigenes Haus auf fremdem Grund: Das Erbbaurecht ermöglicht Menschen Wohneigentum, die zusätzlich zum Haus kein Grundstück finanzieren können oder möchten. Foto: Lina Hatscher
Die Klosterkammer betrachtet schon seit Jahren die Preisentwicklung bei Grundstücksverkäufen in sehr guten Wohnlagen mit größer werdender Sorge und berät seit längerem intern über einen Weg, zum Teil immense Steigerungen der Erbbaurechtszinsen bei der Erneuerung alter Verträge abzufedern.
Diese Überlegungen führten dazu, dass die Klosterkammer ein neues Berechnungsmodell für die Neuvergabe von Erbbaurechten und Erneuerung von alten Erbbaurechtsverträgen vorgelegt hat. Für den Vorschlag, der bei der Erneuerung laufender Erbbaurechtsverträge, insbesondere für die Wohnlagen im „angespannten Wohnungsmarkt“, eine erhebliche Kostendämpfung vorsieht, muss der erforderliche Rechtsrahmen für die Klosterkammer geschaffen werden; er liegt daher derzeit im Ministerium für Wissenschaft und Kultur zur Prüfung. Der Vorschlag der Klosterkammer betrachtet beide Vertragsseiten und ist marktgerecht, transparent und rechtssicher.
Die inzwischen gegründeten Bürgerinitiativen finden das neue Berechnungsmodell aber nicht attraktiv genug und haben sich an die Politik gewandt. SPD und Grüne brachten am 20. November 2025 einen Entschließungsantrag im Niedersächsischen Landtag ein und formulierten Vorschläge, die sich mit den Forderungen der Bürgerinitiativen decken. Um das komplexe Thema besser zu verstehen, finden Sie hier einige Antworten:
Wie entwickelt sich der Erbbauzins bei Erneuerung eines Erbbaurechtsvertrages?
Die gute Nachricht vorweg: Die meisten Erbbauzinsen bei Erneuerungen von Erbbaurechtsverträgen bleiben gleich oder steigen moderat. Die Klosterkammer hat in den vergangenen zwei Jahrzehnten rund 2.500 auslaufende Erbbaurechte erneuert oder vorzeitig verlängert. Dabei konnte festgestellt werden, dass in den meisten Fällen die neuen Erbbauzinsen gleichgeblieben oder moderat gestiegen sind. Damit ist eine zentrale Forderung der Bürgerinitiativen – Deckelung auf maximal das Doppelte – bereits heute weitgehend erfüllt.
Allerdings gibt es auch Regionen, in denen die Erbbauzinsen erheblich steigen. Das liegt daran, dass der aktuelle Erbbauzins sehr niedrig im Verhältnis zum gerade in der in der letzten Zeit stark gestiegenen Bodenrichtwert ist. Das liegt daran, dass sich die Bodenpreise seit Bestellung des Erbbaurechts in den vergangen 80 Jahren in diesen Wohnlagen sehr stark verändert haben. Die alten Erbbauzinsen sind auf Grund von Grundstückspreisen berechnet worden, die damals staatlich reguliert und dem freien Markt entzogen worden waren. Seit Aufhebung der Preisstoppverordnung zum 31. Dezember 1960 in Niedersachsen sind die Grundstückspreise in diesen Regionen exorbitant gestiegen. Grundlage des Erbbaurechtsvertrages bleiben aber über die gesamte Laufzeit des Erbbaurechts die damals geltenden Bodenwerte. Es hat lediglich ein Inflationsausgleich stattgefunden – manchmal nicht einmal das. Dadurch sind die Steigerungsraten bei einer Neuberechnung nach heutigen Werten im Unterschied zu den alten Zahlen enorm.
Die stark gestiegenen Bodenrichtwerte. resultieren aus stattgefundenen Verkäufen von Immobilien in der jeweiligen Lage. Die Klosterkammer hat darauf keinen Einfluss. Im Gegenteil: In Gegenden mit vielen Erbbaurechten steigen die Bodenwerte oft nicht so stark, aber Erbbaurechte bleiben im Immobilienbereich die Ausnahme, so dass preisbildend die Immobilienverkäufe im Volleigentum sind.
Aus Sicht der Erbbauberechtigten ist das Ergebnis in diesen Fällen eine unangemessene Steigerung. Dass sie während der Vertragslaufzeit vor starken Preissteigerungen geschützt waren und währenddessen Vermögensaufbau betreiben konnten, ist ein Privileg, das einigen nicht bewusst zu sein scheint. Alle anderen Hauskäufer, Grundstückskäufer und Mieter sind den Preissteigerungen permanent ausgesetzt und müssen damit umgehen. Faktisch haben die Erbbauberechtigten Jahrzehnte von den sehr günstigen Bedingungen profitiert.
Wie sieht das neue Berechnungsmodell der Klosterkammer aus?
Grundlage ist der aktuelle Bodenrichtwert, welcher flächendeckend und kostenfrei im Internet einsehbar ist und amtlich festgestellt wurde. Weiteres Berechnungsparameter ist nun der Referenzzinssatz für Bundesanleihen mit zehnjähriger Laufzeit (siehe Stichwort Bundesanleihen). Alle Erbbauberechtigten, die einen laufenden Erbbaurechtsvertrag haben, erhalten den bisher günstigen Erbbauzins angerechnet, indem für jedes verbleibende Vertragsjahr ein Prozent Abschlag auf den neu errechneten Erbbauzins berücksichtigt wird. Außerdem erhalten auf einem Erbbaurechtsgrundstück wohnende Hauseigentümer in angespannten Wohnlagen bei Vertragserneuerung einen zusätzlichen Abschlag, der einem Drittel des neu errechneten Erbbauzinses entspricht. Betroffen von angespannten Wohnungslagen sind Vertragspartner der Klosterkammer unter anderem in Hildesheim, Osnabrück, Göttingen und Lüneburg.
Warum ist der Bodenrichtwert die richtige Referenz?
Die Klosterkammer Hannover stellt ihr Grundstück für das Erbbaurecht zur Verfügung. Wie bei allen anderen Verträgen erwartet derjenige, der eine Sache leistet oder zur Verfügung stellt, eine angemessene Gegenleistung. Daher ist der Grundstückswert, der sich im Bodenrichtwert spiegelt, ausschlaggebend.
Warum hält die Klosterkammer den Referenzzinssatz für Bundesanleihen für die richtige Verzinsung?
In der Vergangenheit hat sich bei starren Vorgaben einer Verzinsung des Grundstückwertes gezeigt, dass diese meist den Marktgegebenheiten nicht Rechnung getragen haben. Schließlich ändern sich die Darlehenszinsen, die man beispielsweise für eine Finanzierung eines Grundstückskaufs aufbringen muss, auch. Daher kann die Klosterkammer Hannover bereits seit 2009 variable Erbbauzinsen am Markt anbieten und seit dieser Zeit war eine Vergabe zu einem Erbbauzinssatz von 5 Prozent nur selten marktgerecht. Aus Sicht des Grundstückseigentümers ist die Vergabe eines Erbbaurechts auf seinem Grundstück eine sehr langfristige Anlageform. Es gibt jedoch keine amtliche Veröffentlichung eines angemessenen Erbbauzinssatzes. Nach Erhebungen des Deutschen Erbbbaurechtsverbandes im Mai 2025 liegt der durchschnittliche Erbbauzinssatz bei der Erbbaurechtsvergabe im Wohnbereich in Deutschland bei 3,64 Prozent. Die Klosterkammer ist unter anderem nach sachverständiger Beratung der Ansicht, dass die Bindung eines Grundstücks als Erbbaurecht am ehesten mit Investitionen in eine 10-jährige Bundesanleihe oder auch in einen Pfandbrief verglichen werden kann. Da die Bundesanleihe in der Regel die für den Erbbauberechtigten günstigere Variante darstellt, wollen wir uns in Zukunft an dieser orientieren. Aktuell würde die Klosterkammer damit unter dem durchschnittlichen Erbbauzinssatz anderer – zumeist öffentlich-rechtlicher – Erbbaurechtsausgeber liegen.
Warum wird nicht auf das Einkommen der Erbbauberechtigten Bezug genommen?
Die Bürgerinitiativen fordern, dass das Einkommen der Erbbauberechtigten im Erbbauzins berücksichtigt wird. Abgesehen davon, dass es schlichtweg das „durchschnittliche Haushaltseinkommen“ nicht gibt, wird auch in allen anderen Bereichen nicht darauf abgestellt. Auch die Miete für eine Wohnung oder der Darlehenszinssatz für ein Eigenheim auf Kaufgrundstück bemisst sich nicht nach dem Einkommen des Nutzers. Darüber hinaus müsste der Erbbauzins bei einem Wechsel des Erbbauberechtigten auf dessen Einkommenssituation angepasst werden und wäre damit für niemanden mehr kalkulierbar. Sozialen Härten kann durch unser soziales Sicherungssystem begegnet werden (s.u.).
Warum gilt der in angespannten Wohnlagen ermäßigte Erbbauzins nicht für immer?
Die Klosterkammer hat vorgeschlagen, den Erbbauberechtigten in angespannten Wohnlagen ein Drittel des neu berechneten Erbbauzinses zu erlassen, solange es sich um Bestandskunden und Selbstnutzer handelt; dies gilt längstens für 20 Jahre. Die Klosterkammer hält diese Vorgehensweise für angemessen. Ältere Erbbauberechtigte haben damit die Möglichkeit, ihr Eigenheim weiter zu bewohnen. Die Weitergabe eines – gemessen am Grundstückswert – zu niedrigen Erbbauzinses würde dazu führen, dass der Kaufpreis für das Erbbaurecht zu hoch ausfällt. Dies wiederum würde die Bodenpreissteigerungen, die das Erbbaurecht zumindest dämmen will, weiter anheizen.
Das Schlagwort „soziales Erbbaurecht“ wird von Seiten der Bürgerinitiativen gerne bemüht. Die Klosterkammer wehrt sich gegen diese Sichtweise. Was ist denn nun richtig?
Viele Städte sowie spezielle Stiftungen gewähren bestimmten Personen – wie beispielsweise Familien oder Baugemeinschaften – einen Rabatt auf den Erbbauzins, um ihnen Wohnen im Eigentum oder bestimmte Projekte im Sozial- oder kulturellen Bereich zu ermöglichen. Wenn auf den Erbbaurechtsgrundstücken Mietwohnungen entstehen, können die Erbbaurechtsgeber auch Vorgaben zur Miethöhe machen.
Dennoch ist das Erbbaurecht nicht automatisch ein Instrument des sozialen Wohnungsbaus. Viele Erbbaurechtsgeber, und gerade auch die Klosterkammer Hannover, benötigen die Erbbauzinsen, um ihre Zwecke und Aufgaben erfüllen zu können. Das Erbbaurecht wurde 1919 geschaffen, um möglichst vielen Menschen Wohneigentum ermöglichen. Wenn das Grundstück nicht mitfinanziert werden muss, ist ein größerer finanzieller Spielraum für ein Haus gegeben und auch Schwellenhaushalte können sich so oft den Traum vom Eigenheim leisten
Das Erbbaurecht wurde vor mehr als 100 Jahren zudem eingeführt, um der Bodenpreisspekulation, die sich damals bereits abzeichnete, entgegenzuwirken. Das mit dem Erbbaurecht belastete Grundstück wird dem freien Handel entzogen und ist so kein weiterer Preistreiber am Immobilienmarkt. Die großen Erbbaurechtsausgeber in Deutschland und auch Sachverständige haben allerdings festgestellt, dass ein zu niedriger Erbbauzins zu weiterer Immobilienspekulation führt. Häuser mit günstigen Verträgen werden oft sehr teuer verkauft. Dieser Mehrerlös steht während der Vertragslaufzeit einzig und allein dem Erbbauberechtigten zu.
Richtig ist, dass das Erbbaurecht heute eine Renaissance bei vielen Kommunen erlebt. Viele Kommunen stehen vor der Aufgabe, mittleren Haushaltseinkommen das Wohnen in ihren Städten noch möglich machen zu können. Hier kann das Erbbaurecht durch seine Ausgestaltung, die mehr als nur der Erbbauzins ist, ein Baustein für die Schaffung von bezahlbarem Wohnraum sein.
Ein weiterer Zweck des Erbbaurechts ist es, Bauland zur Verfügung zu stellen. Die Klosterkammer und viele andere institutionelle sowie private Grundstückseigentümer haben von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht. In diesem Sinne wird das Erbbaurecht in vielen Fällen als Instrument der Vermögensverwaltung betrachtet.
Wie können soziale Härten abgefangen werden? Sind die Bürgerinitiativen mit dem neuen Modell der Klosterkammer zufrieden?
Nicht allen Erbbauberechtigten ist das Ungleichgewicht zwischen aktuellem Grundstückswert und dem jahrzehntelang niedrigem Erbbauzins vor Vertragserneuerung bewusst. Von den Bürgerinitiativen wird ein „sozialer Erbbauzins“ gefordert. In der Mehrzahl der Hauseigentümer wird es sich nicht um Sozialfälle handeln. Soziale Härten können schon jetzt über das soziale Sicherungssystem aufgefangen werden. Über den „Lastenausgleich" kann ein Zuschuss für Eigentümer von selbstgenutztem Wohnraum beantragt werden – dieser entspricht in etwa dem Mietzuschuss bei Mietern.
Die Klosterkammer nutzt das Erbbaurecht als Instrument der Vermögensverwaltung: Sie benötigt die Einnahmen, um ihre Stiftungszwecke zu erfüllen (siehe Stichwort Stiftungszweck). Die Klosterkammer erhält keinerlei staatliche Mittel, um ihre Aufgaben zu erfüllen und ist nicht für die Daseinsvorsorge zuständig.
Aber um es ganz klar zu betonen, niemand wird gezwungen werden, sein Haus zu verlassen, weil er sich den Erbbauzins nicht leisten kann. Sofern notwendig, würde die Klosterkammer einen Mietvertrag – und zusätzliche Auszahlung der vollen Entschädigung für das Gebäude – zu marktüblichen Konditionen anbieten. Bisher hat aber bei allen erneuerten Erbbaurechten noch niemand davon Gebrauch gemacht.
Wie geht es nun weiter?
Um das neue Berechnungsmodell umzusetzen, benötigt die Klosterkammer einen Erlass des Ministeriums für Wissenschaft und Kultur. Es gibt bereits positive Signale, dass dieser Erlass schnellstmöglich zur Umsetzung gelangt.
Stichwort Bundesanleihen
Bundesanleihen sind Einnahmequellen für den Staat, um damit dessen Ausgaben zu finanzieren. Aufgrund der hohen Bonität der Bundesrepublik Deutschland zählen Bundesanleihen zu den sichersten Geldanlagen. Die gängigsten Laufzeiten sind zehn und 30 Jahre.
Stichwort Stiftungszweck
Die Klosterkammer verwaltet das Vermögen von vier öffentlich-rechtlichen Stiftungen, die aus ehemals klösterlichem und kirchlichem Vermögen entstanden sind. Laut Gründungspatent vom 8. Mai 1818 ist es ihre Aufgabe, das Stiftungsvermögen zu wahren und zu mehren sowie erwirtschaftete Erträge auf eine „den Erfordernissen der Zeit angemessene Art“ zu verwenden. Aus ihren Erträgen unterhält die Klosterkammer mehr als 700 im Stiftungsbesitz befindliche Gebäude, und rund 12.000 Kunstobjekte. Weitere Mittel aus den Erträgen in Höhe von rund drei Millionen Euro stellt sie pro Jahr für kirchliche, soziale und bildungsbezogene Projekte in ihrem Fördergebiet zur Verfügung.